Seit 2021 beraten wir ehrenamtlich Menschen im Abschiebegefängnis Hof. Dieses Gefängnis wurde neu errichtet, im Oktober 2021 in Betrieb genommen und wird vom Land Bayern mit 150 regulären Haftplätzen. 10 davon für Frauen, betrieben. Wegen „personeller Probleme“ sind in der Regel „nur“ 80-110 Plätze belegt. Während in den teils tief populistischen und rassistischen Asyldebatten des letzten Jahres Abschiebehaft als eines der vermeintlichen Allheilmittel diskutiert wurde, haben wir in unserer Beratungspraxis die Härte und die Auswirkungen dieses staatlichen Gewaltmittels in über 500 Fällen sehr nah erlebt. Das heißt, wir haben im Jahr 2024 über 500 Abschiebegefangene beraten. Mit manchen war es nur ein kurzes Beratungsgespräch, bei 117 Gefangenen (davon 25 Frauen) haben wir die Unterlagen kopiert und die Menschen während ihrer Haftzeit manchmal über Wochen und in wenigen Fällen über Monate begleitet. Die meisten der von uns beratenen Abschiebegefangenen waren Männer. Alle Inhaftierten, die wir getroffen haben, waren volljährig, wir wissen aber von einem kurzzeitig inhaftierten Minderjährigen in Abschiebehaft. Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir mehr der in Hof inhaftierten Menschen beraten. Das lag vor allem daran, dass wir seit Juli 2024 die Beratungszeiten erweitern konnten, leider aber auch daran, dass das Abschiebegefängnis einfach voller war. Unsere Beratungskapazitäten sind leider weiterhin nicht bedarfsdeckend.
Beratung vor Ort in Hof
Wir sind in Kooperation mit dem Jesuiten Flüchtlingsdienst (JRS) einmal wöchentlich für maximal drei Stunden vor Ort, bei dringenden Fällen versuchen wir auch spontan noch zusätzlich Beratung anbieten zu können. Unsere Beratung in der Abschiebehaft hat sich 2024 wie schon in den Vorjahren auf haftrechtliche Fragen beschränkt, auch wenn immer wieder auch asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen thematisiert werden. Da wir in der kurzen Beratungszeit wöchentlich bis zu 15 Inhaftierte treffen, verweisen wir bei der Stellung von Asylerst- und Folgeanträgen bzw. Anträgen auf Fortsetzung des Asylverfahrens auf den Sozialdienst der Abschiebehafteinrichtung. In Zusammenarbeit mit Anwält*innen (meist finanziert durch den JRS) wurden Klageverfahren geführt und Eilanträge bei Verwaltungsgerichten gestellt. Ein wichtiger Teil der Arbeit war es auch, Angehörigen, Freund*innnen, Unterstützenden und Anwält*innen der Gefangenen als Ansprechpartner zur Seite zu stehen und Vollmachten für Anwält*innen zu vermitteln.
2024 wurden wir auch viermal von der Haftanstalt um Unterstützung gebeten z. B.um Gepäck abzuholen oder Dinge für Gefangene draußen zu erledigen.
Zusätzlich zu unserer Beratung bietet die Refugee Law Clinic Regensburg monatlich eine Beratung in Hof an.
Viele Abschiebungen nach Bulgarien, Irak und Türkei
Bei den von uns beratenen Menschen wurden am häufigsten die Haftformen Sicherungs- und Vorbereitungshaft angeordnet. Sicherungs- und Vorbereitungshaft können für bis zu sechs Monate, in manchen Konstellationen sogar für bis zu 18 Monate angeordnet werden. Viele in unserer Beratung waren im Rahmen von Dublin- oder Drittstaatenverfahren in Überstellungshaft, d.h. das Zielland der Abschiebung war nicht das Herkunftsland und lag in der EU (häufig Bulgarien). Nur wenige von uns beratene Menschen waren in Ausreisegewahrsam. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Ausreisegewahrsam sind wesentlich geringer als bei der Abschiebungshaft. Dennoch wurde die zulässige Höchstdauer des Ausreisegewahrsams mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetzes“ am 27.02.2024 von 14 auf sogar 28 Tage erhöht. Häufig sind Menschen nichtsdestotrotz nur wenige Tage in Ausreisegewahrsam, sodass es gar nicht zu einer Beratung kommt.
Gut vertreten durch Pflichtanwält*innen?
Im Jahr 2024 wurden 36 der von uns beratenen Personen vor der Abschiebung wieder freigelassen. Grund dafür waren entweder erfolgreiche Verwaltungsgerichtsverfahren, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft sowie das Ende der Haftzeit in Dublinfällen. Der Anteil der angefochtenen Haftanordnungen der von uns beratenden Personen ist uns nicht bekannt, denn häufig wussten nämlich weder wir noch die inhaftierte Person selbst, ob Beschwerde eingelegt wurde und inwiefern das Verfahren geführt wird. Das hat den Grund, dass unsere Beratung seit der – grundsätzlich zu begrüßenden – Einführung der Beiordnung von Pflichtanwält*innen in Abschiebehaftverfahren in der Tendenz komplizierter und unübersichtlicher geworden ist. Häufig hatten die Inhaftierten keinen Kontakt zu „ihren“ Pflichtanwält*innen, wussten nicht, ob diese Verfahren führen oder nicht und kannten mitunter noch nicht einmal den Namen und die Kontaktdaten des Anwalts oder der Anwältin. Nicht immer geben uns die Pflichtanwält*innen außerdem Auskunft über den Stand des Verfahrens und sind zur Zusammenarbeit mit uns bereit. In vier der von uns rechtsanwaltlich finanzierten Beschwerdeverfahren wurde Stand April 2025 bereits festgestellt, dass die Haft ganz oder teilweise rechtswidrig angeordnet wurde. Die verbleibenden Beschwerden wurden noch nicht verhandelt bzw. der Ausgang ist uns nicht bekannt. Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass Abschiebehaft nach wie vor häufig rechtswidrig angeordnet und vollstreckt wird. So wurden 51 % der Mandant*innen des Rechtsanwalts Peter Fahlbusch nach rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (Stand Februar 2025).
Viele Haftbeschwerden mit ungewissem Ausgang
Bei der Auswertung des Ausgangs aller begleiteten Haftverfahren stellen sich uns mehrere Herausforderungen: Zum einen fehlt uns für eine kontinuierliche Dokumentation und Aufbereitung der Fälle nach der Abschiebung der Beratungsnehmenden im Arbeitsalltag oft die Zeit. Zum anderen erhalten wir wie bereits beschrieben von Rechtsanwält*innen, sofern wir nicht ohnehin eng mit ihnen zusammenarbeiten, oftmals keine Informationen zum Ausgang des Haftverfahrens – insbesondere, wenn die Betroffenen bereits abgeschoben wurden. Zudem führen viele Anwält*innen die Haftverfahren nach einer Abschiebung ihrer Mandant*innen nicht mehr fort. Hinzu kommt, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Landgerichte bzw. den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht viele Jahre ins Land ziehen können, da die Betroffenen in den allermeisten Fällen zwischenzeitlich abgeschoben wurden und deshalb keine Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung mehr gegeben ist. Auch haben wir in vielen Fällen keinen umfassenden Einblick, ob Personen – aus welchen Gründen auch immer – vielleicht doch noch entlassen oder aber abgeschoben wurden.